Im Dorf heißen viele mit Vornamen Mingma, denn Mingma bedeutet Dienstag. Im Volk der Sherpa ist es Tradition, dass der erste Vorname jener Tag ist, an dem man geboren wurde. Erst der zweite Name ist oft der "richtige" Vorname, im täglichen Sprachgebrauch verwendet man aber meist nur den ersten. Und so gibt es einen Dienstag-Onkel, eine Mittwoch-Tante, einen Donnerstag-Opa.
Im Dorf heißen außerdem alle mit Nachnamen Sherpa. Denn die Sherpa in Nepal sind ein Stamm mit eigener Kultur, eigener Sprache. Weil sie hoch oben in den Bergen leben werden sie von europäischen Reisenden gerne als Träger für Expeditionen ins Himalaya-Gebirge angeheuert. Die halbe Welt glaubt deshalb, ein Sherpa sei eine Art Synonym für einen Gepäcksträger im Himalaya.
In Vaters Fußstapfen
Mingma Nuru ist 14, als er sein Dorf verlässt. "Barfuß und mit umgerechnet drei Euro in der Tasche", erinnert er sich zurück. Sechs Tage ist er zu Fuß unterwegs, einen Tag sitzt er im Bus. Dann erreicht er Kathmandu, wo er ab sofort bei seinem Vater, dem Trekkingführer, lebt. Dieser arbeitet für einen deutschen Reiseveranstalter, Mingma Nuru unterstützt und hilft, wo er kann.
Mit Mitte 20 reist er das erste Mal nach Deutschland, später zahlt ihm eine Touristin aus München einen Deutsch- und Englischkurs. 14 Jahre lang arbeitet Mingma dann für eine deutsche Trekkingfirma, dann kauft er mit seinem Ersparten ein Grundstück in Kathmandu und gründet sein eigenes kleines Unternehmen. Sechs bis sieben Mal pro Jahr unternimmt er jetzt größere, mehrwöchige Touren ins Himalayagebirge mit seinen Gästen, die meisten davon reisen aus Deutschland und Österreich an. Seine Frau und seine zwei Kinder sieht der nepalesische Bergführer nur wenige Monate im Jahr.
Geld für'project
Mittlerweile war Mingma Nuru schon oft in Europa. Schon einige Male hat er den Sommer auf der Salzburger Werfener Hütte verbracht, um zusätzliches Geld zu verdienen. Denn Mingma Nuru hat begonnen, in Juke, dem Dorf seiner Kindheit, ein buddhistisches Kloster zu bauen. "Es gab früher ein Kloster, aber es stand auf einem privaten Grundstück. Der Besitzer hat es der Allgemeinheit vermacht, aber nun wollen seine Kinder es nicht hergeben", erzählt er. Ein Kloster zu haben sei für die Dorfgemeinschaft aber von immenser Bedeutunng. "Alle Jungen sind nach Kathmandu oder Indien gegangen, jetzt leben fast nur mehr Alte im Dorf." Vielleicht, so hofft, Mingma Nuru, kann ein neues Kloster die Landflucht eindämmen. Natürlich nicht ein Kloster alleine: Er hat einen Brunnen im Dorf gebaut, auf jedem Dach ein Solarpanel für Licht und Radio installiert, einen Lehrer für die Dorfschule eingestellt. Bald will er eine eigene Schule bauen, in der auch Englisch und die Sprache seines Sherpa-Stammes unterrichtet werden, "damit unsere Kultur nicht in Vergessenheit gerät". (Maria Kapeller, kofferpacken.at